Gentechnik: Trotz Anbauverbot noch nicht vom Tisch!

Neustädter Land, 18.04.2009 – Kleine, orange Bändchen wirbeln im Wind, Radketten rattern, dazwischen immer wieder Maisfratzen. So radelten an diesem Samstag zusammen insgesamt rund 30 Greenpeacer und interessierte Bürger durch das Neustädter Land (Region Hannover), um auf die Risiken der Grünen Gentechnik aufmerksam zu machen. Bei Mariensee war dieses Jahr ursprünglich der Anbau von 9,2ha Gen-Mais geplant. Das Anbauverbot verhinderte in letzter Minute die Aussaat. Doch trotz Anbauverbot ist die Gentechnik leider noch lange nicht vom Tisch…

Um 13 Uhr versammelten wir uns zur bunten Radtour vorm Neustädter Bahnhof. Von dort aus steuerten wir unsere erste Station in Scharnhorst an: die Außenstelle des Bundessortenamtes. Dort referierte Matthias aus der Gentechnik-Arbeitsgruppe über die Rolle der deutschen Behörden und der EU-Zulassungsbehörde EFSA. Thematisiert wurde in diesem Zusammenhang auch die teils zweifelhaften Verpflechtungen mit der Genlobby. Danach schwangen sich alle wieder auf den Sattel und wir näherten uns Mariensee. Hier sollten ursprünglich insgesamt 9,2ha Gen-Mais angebaut werden. Dank dem Anbauverbot des Gen-Mais MON810 wurde hier allerdings der Gen-Maisanbau gestoppt. Im Neustädter Land fand unter anderem sogenannter Erprobungsanbau statt, bei denen geeignete Sicherheitsabstände erforscht werden sollten.

Der Erprobungsanbau dient u.a. zur Ermittlung von Abständen zwischen GVO- und Nicht-GVO-Feldern im Hinblick auf die mögliche Verunreinigung von konventionellen Feldern mit GVO (gentech. veränderte Organismen). Die Ergebnisse des Erprobungsanbaus sind allerdings zweifelhaft. 2004 stellte man in Mariensee fest, dass ein Sicherheitsabstand von 20m ausreichen würde, um Verunreinigungen unter 0,9% zu vermeiden und eine Koexistenz zwischen GVO und GVO-freien Feldern zu ermöglichen. Dieser 0,9%-Wert orientiert sich an einem Kennzeichnungswert, der in der EU-Kennzeichnungsverordnung festgelegt wurde. 0,9% ist aber nicht gentechnikfrei, sondern eine erhebliche Verschmutzung. Mit dieser Methodik missbrauchen also Saatgutunternehmen, Behörden und Politiker diesen Kennzeichnungsschwellenwert als Verschmutzungsgrenze. Nach dem Motto: Bis 0,9% darf verunreinigt werden.
Es gibt aber kein Recht auf Kontamination! Koexistenzforschung wäre überdies auch mit konventionellen Pflanzen durchführbar. Man braucht keine Gen-Pflanzen, um den Pollenflug und potentielle Auskreuzungsraten festzustellen. Zumal die ermittelten Sicherheitsabstände zweifelhaft waren, da z.B. Bienen schon einen Flugradius von 5km haben. Im Gentechnikgesetz wurden zwar so dann auch größere Abstände festgeschrieben (150m zu konventionellen und 300m zu ökologisch-bewirtschafteten Ackern), doch auch diese Abstände sind eindeutig zu gering.

Dieser Umstand gefährdet vor allem viele Arbeitsplätze in der gentechnikfreien Landwirtschaft. Bio-Bauern, aber auch konventionelle Landwirte und Imker, sind in ihren Existenzen gefährdet. Dabei gibt es längst zahlreiche Alternativen zur Grünen Gentechnik. Gerade auch der boomende Bio-Sektor macht dies deutlich.

Mit einem Picknick an dem besagten Feld machten wir es uns daher gemütlich und feierten bei leckeren, gentechnikfreien Speisen und Schlemmereien das Anbauverbot als einen guten Teilerfolg. Zugleich gab es noch ein bisschen geistige Nahrung: David referierte über die Grüne Gentechnik und erläuterte die aktuelle Situation. Immerhin weisen zahlreiche Indizien auf diverse Risiken der Gentechnologie hin. Potentiell negative Auswirkungen auf die Umwelt sind z.B. in der Schädigung von Boden- und Wasserleben, wie auch anderen Insekten- und Schmetterlingsarten, zu finden. Nach dem Vortrag traten wir dann noch einmal alle kräftig in die Pedalen, zurück nach Neustadt am Rübenberge. Die Leine-Zeitung, wie auch die Neustädter Zeitung, berichteten über unsere bunte Gen-Radtour.

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Leider ist die Gentechnik noch lange nicht vom Tisch:

1. Ist das Anbauverbot nicht endgültig und gilt überdies nur für den bt-Mais MON810. Es bleibt daher abzuwarten, wie die politischen Entscheidungsträger sich zukünftig positionieren und entscheiden werden.

2. Drohen auf EU-Ebene neue Zulassungen für zwei Gen-Maissorten. Hier muss Aigner ihre Glaubwürdigkeit beweisen und gegen die Zulassungen stimmen. Beide Maissorten haben unteranderem auch die bt-Eigenschaft. Sie produzieren also auch unkontrolliert ihr eigenes Insektengift.

3. Finden immer noch Freisetzungsversuche statt. In Vesbeck ist z.B. noch bis 2010 ein Freisetzungsvorhaben genehmigt. Dieses Jahr sind allerdings noch keine Freisetzungsflächen in Niedersachsen im Standortregister angemeldet worden. Dies muss drei Tage vor der Aussaat passieren.

4. Tierische Produkte müssen nicht gekennzeichnet werden, obwohl zumindest im konventionellen Bereich häufig genmanipulierte Futtermittel eingesetzt werden. Eine aktuelle Untersuchung von Greenpeace hat z.B. in Futterproben bei den Molkereien Bärenmarke, Weihenstephan, Allgäuland genmanipulierte Bestandteile nachgewiesen. Auf der sicheren Seite ist man daher momentan leider nur, wenn man ökologische Produkte oder tierische Produkte mit dem „ohne Gentechnik“-Siegel kauft.